Erste Impressionen von Sri Lanka
Knapp vier ruhige Flugstunden verstrichen, landen wir spätnachmittags in Colombo. Das Einreiseprozedere in Sri Lanka nimmt kaum Zeit in Anspruch, umso mehr überrascht es uns, dass unsere Rucksäcke auf dem Gepäckband bereits Ehrenrunden drehen. Dem Geldautomaten eine Handvoll Rupien entlockt, hocken wir schleunig auf einer Taxirückbank. Noch bevor die Abenddämmerung hereinbricht, lädt uns der Fahrer nach kurzer Fahrt an der gewünschten Adresse in Negombo ab. Im gebuchten Zimmer schnürt uns modrige Luft beinahe die Kehle zu. Die dunkelhäutige Silvia macht unser Unbehagen wieder wett, heisst sie uns mit einer grossen Portion Warmherzigkeit willkommen. Derweil wir unsere Kammer ausgiebig durchlüften, geniessen wir auf dem Balkon die frische Tropenbrise. Das kleine familiäre Gästehaus liegt in einer beschaulichen Seitenstrasse und wir fühlen uns auf Anhieb wohl, trotzdem braucht unsere Seele noch etwas länger, um im neuen Land richtig anzukommen…
Kurz nach sechs verabschiedet sich die Sonne und ehe wir uns versehen umarmt uns pure Dunkelheit. Unsere Bäuche knurren vor Hunger, aber das Ausharren lohnt sich. Unsere rundliche Gastmama ist eine hervorragende Köchin. Die Duftnote des Nationalgerichts „Rice & Curry“ hält was sie verspricht. Zum weissen Reis werden kleine Schälchen mit verschiedenen Köstlichkeiten von süss bis scharf gereicht, dazu ein Fisch, den ihr Ehemann aus dem Meer gezogen hat. Genauso lecker wie das Abendessen fällt auch das Frühstück aus. Mit Hochgenuss verschlingen wir die mit einer Kokosnussmischung gefüllten Pfannkuchen sowie die honigsüsse Ananas. Mit uns am Tisch sitzen Nicole und Christian, die am Ende ihrer Reise angelangt sind und uns mit ein paar wertvollen Tipps versorgen. Doch nicht nur mit dem sympathischen Schweizerpaar können wir uns auf Deutsch unterhalten, auch mit Silvia. Hat unsere srilankische Gastgeberin mit ihrer Familie einst in Deutschland gelebt.
Gestärkt machen wir uns auf den Weg. Das Ortsbild ist geprägt von einer Vielzahl von Kirchen und Heiligenschreinen, die Negombo den Titel „Rom Sri Lankas“ einbrachten. Begleitet vom Knattern zahlreicher Tuk Tuks – offene motorisierte Dreiradtaxis – gelangen wir ins zwei Kilometer entfernte Geschäftszentrum. Ein grosser chaotischer Basar. Bei der Stadtplanung sind die Fussgänger allerdings vergessen gegangen, gibt es keinerlei Gehsteige. Der schmale Streifen vor den Ladenlokalen ist hauptsächlich mit geparkten Fahrzeugen verstellt und wir sind gezwungen, auf die wuselige Strasse auszuweichen. Am Ende des Tages brummt mein Kopf wie ein Tuk Tuk… Hier und da will man uns etwas andrehen, doch unser ablehnendes Lächeln wird offenbar verstanden. Endlich spüren wir einen Telefonschuppen auf, wo wir für wenig Geld unkompliziert eine lokale Sim-Karte mit Guthaben erstehen können. Fast in jedem besuchten Land haben wir uns auf diese Weise unabhängigen Internetzugang verschafft und müssen uns beim Bloggen weitaus weniger über schlechtes WiFi ärgern.
Am nächsten Morgen stehen wir mit den Hähnen auf. Pünktlich um halb sieben steht der bestellte Fahrer auf der Matte. Bereits in aller Morgenfrühe rauscht viel Verkehr, der Fahrstil oft haarsträubend. Nach 40 Kilometern erreichen wir Colombo, die Strassen der Hauptstadt sind masslos verstopft. Tuk Tuks schwirren wie bunte Bienen umher, tauchen unberechenbar von allen Seiten auf, untermalt von einem mehrstimmigen Hupkonzert. Angespannt blicke ich aus dem Autofenster. Unweigerlich kommen mir die beiden Schweizer in den Sinn, die an ihrem allerersten Tag mit einem Tuk Tuk in einen Unfall verwickelt waren. Ein Gänseschauer läuft mir den Rücken hinab und ich schicke ein Stossgebet in den Himmel…
Kurz vor acht spuckt uns das Taxi wohlbehalten bei der Immigrationsbehörde aus. Bevor unsere Reise richtig begonnen hat, steht heute eine Visumverlängerung auf dem Programm. Der Plan, vorgängig auf dem Konsulat in Kuala Lumpur ein Visum für zwei Monate einzuholen, ging leider nicht auf. Trotz dem Tragen unserer feinsten Klamotten blitzten wir gnadenlos ab. „Wir stellen keine Visas aus. Beantragt online ein Monatsvisum und verlängert es vor Ort“, enttäuschte uns der junge Angestellte lächelnd… Vor dem entsprechenden Schalter bildet sich bereits eine Warteschlange, geduldig reihen wir uns ein. Die Antragsprozedur gibt einen guten Einblick in die srilankische Bürokratie. Die ausgefüllten Formulare wandern schliesslich von Schreibtisch zu Schreibtisch, wir hintendrein. Nach insgesamt zwei Stunden halten wir unsere Pässe wieder in den Händen mit der Erlaubnis, nun offiziell zwei Monate in Sri Lanka weilen zu dürfen. Zwischenzeitlich wimmelt es von Antragstellern und wir sind froh, uns frühzeitig aus den Federn geschwungen zu haben.
Draussen ist die Hölle los. Irgendwo inmitten der quirligen Metropole mit zwei Millionen Einwohner, weit entfernt der Innenstadt. Tuk Tuk-Fahrer umgarnen uns. Aber ich will kein quakendes Tuk Tuk – viel zu gefährlich. Bald gabelt uns das bestellte Uber-Taxi auf und sticht in den stockenden Blechknäuel. Der Fahrer macht ein bisschen Small Talk, und schon ist es passiert. Keine Ahnung wie, alles ging blitzschnell. Wir sind mit einem anderen Auto zusammengestossen. Alle sind unversehrt, immerhin. Ein Haufen Männer verwirft die Hände. Unser Chauffeur bittet uns auszusteigen und uns aus dem Staub zu machen. Entsetzt stellen wir fest, wie gross die Beulen und eingedrückt die Stossstangen beider Fahrzeuge sind. Dankbar ist uns nichts passiert, stolpern wir geschockt an den Strassenrand. Ein Glück war unser Schutzengel mit an Bord – hoffentlich ist auch er wohlauf.
Mit dem Taxi nur einen halben Kilometer weit gelangt, befinden wir uns jetzt auf einer Hauptverkehrsachse, wo Stadtbusse ächzen. Noch etwas benommen springen wir in das erstbeste Ungetüm, rostig und proppenvoll. Eine gütige Frau opfert ihren Sitzplatz, was mir überhaupt nicht recht ist, doch es gelingt mir nicht, sie davon abzuhalten. Heruntergekommene Häuser dominieren das kunterbunte Strassenbild, wo es kaum ein Durchkommen gibt. Drängelnde Passanten, schreiende Busbegleiter, heiss die Luft voller Abgase. Fast pausenlos stehen wir im Stau. Keine zehn Kilometer trennen uns vom Hauptbahnhof, doch für die Strecke benötigen wir eine geschlagene Stunde. Fixfertig haben wir nur noch eines im Sinn: Kalorien zu futtern. Dank Reisehandbuch finden wir in der Nähe eine Wohlfühloase, wo wir für eine Weile dem Lärm und Gestank entfliehen können.
Später besteigen wir den Zug zurück nach Negombo. Eine Menschenmenge stürzt sich auf die begehrten Sitzplätze, wir mittendrin. Beinahe pünktlich setzt sich die Eisenbahn mit seinen verlotterten Wagons ruckelnd in Bewegung. Verkäufer quetschen sich durch den vollen Zug und bieten unüberhörbar ihre Ware feil. Eine hagere Bettlerin taumelt mit der hohlen Hand an den Passagieren vorbei, währenddessen uns ein Gitarrist enthusiastisch mit seinem schnulzigen Gesang einlullt. Die unterhaltsame Bummelfahrt von einer guten Stunde kostet lediglich 45 Rupien, umgerechnet 30 Rappen. Die öffentlichen Verkehrsmittel wie Züge und Busse sind vom Staat stark subventioniert und spotbillig, dafür komfortarm und häufig hoffnungslos überfüllt.
Am nächsten Morgen schlafen wir aus, fühlen uns aber trotzdem schlapp. Ist es die schwüle Hitze, die uns zu schaffen macht? Auch vorne am Strand weht kaum eine Brise. Der graubraune Sandstreifen ist breit wie ein Fussballfeld, schäumend schlagen hohe Wellen auf. Das im Gegensatz zur Lufttemperatur kühle Wasser umspielt angenehm unsere Füsse. Auslegerboote mit grossen Segeln liegen im Sand, Fischer kommen mit ihren Fängen zurück und rollen ihre Netze ein. Nebst dem Tourismus leben noch zahlreiche Bewohner vom Fischfang. Immer wieder hauen uns Strandverkäufer an, verwickeln uns spielend in einen Schwatz, jedoch nicht in einen Kauf. Aufdringlich sind sie nicht und lassen uns ziehen, sobald kein Geschäft zu wittern ist.
Abfall überall, nicht zu übersehen. In den Wohnquartieren, an den Strassen, und auch hier am Strand. Ein leidiger Anblick. Das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung ist offensichtlich kaum vorhanden. Auch keine Augenweide ist die grässliche Bebauung. Klotzige Bettenburgen spriessen aus dem Boden, eingeklemmt zwischen schäbigen Hütten oder Baustellen – entweder bröckelnde Hotelruinen oder im Entstehen begriffene Neubauten. Negombo ist ein touristischer Fleck mit einem üppigen Übernachtungsangebot. Kein Wunder, denn die Hafenstadt liegt viel näher beim Flughafen als Colombo, und ist somit beliebt für die ersten oder letzten Nächte auf der Insel – für Badeferien jedoch weniger einladend.
Ein letzter Abend auf dem friedlichen Balkon, mit Blick auf grün wuchernden Tropenbewuchs. Morgen nimmt unsere Reise durch das facettenreiche Sri Lanka seinen Lauf. Mit gemischten Gefühlen blicken wir der kommenden Zeit entgegen, sind wir einerseits schon mit so vielen Eindrücken gesättigt – vielleicht übersättigt – und uns auch nicht mehr an das Unterwegssein mit Sack und Pack in öffentlichen Verkehrsmitteln gewöhnt, was sich stets beschwerlicher gestaltet wie mit eigenen vier Rädern. Was wird uns erwarten? Vor zwölf Jahren erkundete ich einst das südasiatische Eiland und kehrte mit wunderbaren Erinnerungen heim. Damals, als der Bürgerkrieg noch im Gange war, begegnete ich nur wenigen anderen Touristen. Bestimmt hat sich seither vieles verändert, inwiefern, werden wir in den nächsten sieben Wochen herausfinden. Doch schon heute spüre ich, dass die Herzlichkeit der Menschen nicht abhanden gekommen ist. Ihr Gesicht vielmals wie ein Spiegel – ein Lächeln unsererseits zaubert eines auf das ihre!
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