03.04. – 22.05.2010

Zurück aus Venezuela…

Venzuela, ein Land in Südamerika, von dem ich bis vor kurzem nicht viel wusste, bietet einen Haufen Naturschönheiten. Ist da der dichte Dschungel, der sich über einen grossen Teil des Landes erstreckt, die mächtigen Flüsse, die grosse Savanne mit den einmaligen Tafelbergen, die gebirgigen Anden, das topfebene tierreiche Flachland sowie die Karibikküste und Inseln mit den traumhaften Stränden. Davon habe ich in den letzten sieben Wochen zusammen mit Roland einiges entdeckt. Wir haben das riesige Land durchstreift und unsere Zeit vollends genossen…

Die ersten Tage zieht es uns an die östliche Küste, um uns langsam an das Land und die Hitze zu gewöhnen. Von Playa Medina wurde uns vorgeschwärmt und das ist unser Ziel. Der kleine sichelförmige Sandstrand, gesäumt von unzähligen Kokospalmen ist eine Augenweide. Von der Infrastruktur und den Leuten sind wir eher enttäuscht. In unserer Posada, wie sich die kleinen einfachen Hotels hier nennen, fühlen wir uns nicht wirklich willkommen. Das Land vermittelt uns in diesen Tagen noch keinen angenehmen Eindruck, aber das ändert sich zum Glück bald!

Wir verbringen einen Tag im Bus und erreichen Ciudad Bolivar im Landesinneren. Diese Stadt glänzt mit einem kolonialen Zentrum mit bunt bemalten Häusern. Sie ist der Ausgangspunkt, um die grandiosen Naturlandschaften im Osten zu erkunden. Dies ist auf eigene Faust kaum möglich und so organiseren wir hier eine Handvoll geführte, mehrtägige Touren.

Der Rio Caura, einer der grössten Flüsse, strömt durch ein praktisch unberührtes Dschungelgebiet, dem Lebensraum zweier Indianerstämme. Wir sind mit unserem einheimischen Führer drei Tage unterwegs. Den ersten verbringen wir im Boot, um nach Playón zu gelangen. An diesem idyllischen Lagerplatz an einem Sandstrand nächtigen wir in einer runden Hütte in Hängematten. Ist es doch das erste Mal, dass ich die Nacht auf diese Weise verbringe, bin ich etwas besorgt um den Komfort sowie meinen Schlaf. Ich liebe es zwar, einige Stunden in so einem schaukelnden Stofftuch zu relaxen, aber normalerweise dauert eine Nacht doch etwas länger. Zu meiner Überraschung war es nicht nur problemlos zu Schlaf zu kommen, sondern auch noch bequem. Eine Wanderung durch den Regenwald bringt uns zum mächtigen Wasserfall, dem Salto Para. Breite Wassermassen stürzen von diversen Felsen in die Tiefe und der Anblick ist fantastisch!

Nach diesen erlebnisreichen Tagen finden wir uns wieder in der Stadt ein, um nach einem Ruhetag zum nächsten Abenteuer aufzubrechen. Es ist immer wieder mit einigen Stunden Anfahrtsweg zu rechnen, um in die neue Region zu gelangen.

Der Orinoco, der grösste Fluss des Landes, endet mit seinen etlichen Seitenarmen in einem Sumpfgebiet im äussersten Osten. Das Orinoco-Delta ist das Zuhause der Warao-Indianer, die hier in einfachsten Verhältnissen hausen. Wir wohnen für drei Tage auch relativ einfach, aber gemütlich. Die Lodge verfügt über einige Strohhütten, dessen Dächer bis zum Boden reichen. Darin steht lediglich ein Bett mit einem Moskitonetz und gegen vorne ist alles offen. Wir befinden uns gleich über dem Fluss inmitten des Dschungels. Mehrmals täglich schippert uns ein Kanu oder Motorboot die verschiedenen Flusswege hoch und runter. Mit etwas Glück lassen sich einige Tiere wie Kaimane, Affen und verschiedene Vögel sichten. Einmal können wir eine ganze Affenhorde, sogenannte Cappucinos, eine Art der Kappuzineraffen, beobachten. Ich bin begeistert, dann meistens hören wir nur das Brüllen dieser Tiere. Es ist völlig friedlich und erholsam hier!

Eine Busfahrt durch die dunkle Nacht bringt uns in rund zwölf Stunden nahe an die brasilianische Grenze im Süden. Santa Elena ist ein kleiner sympathischer Ort mit diversen Ausflugsmöglichkeiten. Wir befinden uns in der Gran Sabana, der grossen Savanne, einer dünn besiedelten Hochfläche mit einer einmaligen Landschaft. Das spektakulärste sind die einzigartigen Tafelberge. Es ist das Gebiet der Pemón, diese Indianer kümmern sich sehr um den Erhalt ihrer Welt. Wir sehen hier kaum Abfall herumliegen, was in vielen Gegenden des Landes leider nicht der Fall ist und die Strassenränder von Müll gesäumt sind.

In den nächsten Tagen verwirklichen wir einen langgehegten Traum von Roland, wir besteigen einen Tafelberg. Der Roraima ist mit 2810 m der höchste Tafelberg der Welt und liegt im Dreiländereck von Venezuela, Brasilien und Guyana. Die Felswände ragen senkrecht empor. Mächtig, oft in Wolken verhüllt, steht er vor uns. Das Trekking mit unserem grossartigen Privatführer und einigen Trägern dauert 6 Tage. Wir übernachten in einfachen Camps in einem Zelt und werden hervorragend bekocht. Der Aufstieg mit Tagesetappen von rund 4 – 5 Stunden ist gut machbar, wobei der letzte Teil steil berghoch führt. An etlichen Stellen stürzen kleine  Wasserfälle in die Tiefe. Oben angekommen werden wir für unsere Strapazen entschädigt, eine mystischer Anblick erwartet uns. Das „Dach“ des Roraima ist wirklich eine Welt für sich. In der Felswüste wachsen viele endemische Planzen wie Bromeliengewächse, fleischfressende Pflanzen und Moose. Die Gesteinsformationen sind vielfältig und teils von Bergkristallen durchsetzt. Einfach eine wundervolle Landschaft, eine Mondlandschaft, so anders. Es gefällt mir ausgezeichnet hier oben und ich kann mich kaum sattsehen! Zwischen den Felsblöcken, Kratern und Wasserlöchern finden sich einige sogenante Hotels. Das sind jedoch lediglich natürliche Überhänge und Felshöhlen für die Zelte. Das Wetter kann sich sehr schnell ändern und die Nächte sind empfindlich kühl. Der nächste Tag dient der Erkundung dieses einzigartigen Plateaus und wir haben sagenhaftes Glück mit dem Wetter, denn Regen ist hier an der Tagesordnung. Wir erfreuen uns einer guten Sicht und sehen sogar den Nachbar-Tafelberg vollständig, was eher selten ist. Sogar unser Guide freut sich ausserordentlich, dies bestätigt uns, dass dieses Wetter nicht die Norm ist. Wir freuen uns mit ihm und schätzen es unglaublich! Der Abstieg ist dann teils von Regen begleitet, aber nun ist es uns egal. Das Runterkommen erweist sich als anspruchsvoll, vor allem für die Knie. Ich leide die nächsten Tage und kann kaum mehr in Hocke gehen, brauche ich diese Stellung hier in der Natur doch oft, um Geschäfte zu erledigen… Dieses Trekking war für uns beide das absolute Highlight unserer Reise duch Venezuela!

Unser nächstes Ziel ist der höchste Wasserfall der Erde, der Salto Angel. Es führen keine Strassen dorthin, sondern ein stündiger Flug in einer nur 6-plätzigen Maschine bringt uns von Ciudad Bolivar in die Abgeschiedenheit. Das Wetter ist sonnig und klar, somit ist der Flug selber schon ein Erlebnis. Ich klebe an der Scheibe und betrachte die sich ändernde Landschaft, bis wir in Canaima, einer kleinen Siedlung an einer Lagune inmitten des Dschungels, sicher landen. Von dort geht es mit einem kleinen Holzboot auf eine abenteuerliche, unbequeme Flussfahrt. Es gilt etliche Stromschnellen zu überwinden, bis nach einigen Stunden noch ein Aufstieg von einer weiteren Stunde zu bewältigen ist. Dann stehen wir endlich vor dem Wasserfall, der sich vom Tafelberg Ayuantepui stürzt. Mein Staunen hält sich aber in Grenzen, denn die Höhe von fast 1 km ist zwar unglaublich, aber schwer auszumachen. Die Gegend mit den Wänden des massiven Tafelberges, der Regenwald sowie die Flusslandschaft finde auch ich herrlich. Die Nacht verbringen wir mit unserer Gruppe in einem Dschungelcamp, einem Massenlager mit Hängematten, inmitten dieser üppigen Natur. Auf der Rückfahrt am kommenden Tag werden wir nicht nur durch das hochspritzende Wasser nass, denn es regnet die ganze Fahrt in Strömen. Kein Wunder, wir stehen anfangs der Regenzeit und und der Regen ist hier keine Rarität!

Zurück in Ciudad Bolivar stehen wir abends am Busbahnhof. Unsere zum voraus gekauften Tickets sind plötzlich wertlos, der Bus sei defekt und fahre heute nicht. Und jetzt? Morgen fahre wieder ein Bus… Wir sind enttäuscht, denn wir haben uns nun so darauf eingestellt, endlich in den Westen des Landes zu gelangen. Die Zeit ruft, weil schon vier Wochen um sind. Zurück in der Posada wird uns als einzige, heute noch mögliche Alternative eine Taxifahrt vorgeschlagen. Wohlgemerkt, unsere geplante Strecke beträgt über 1000 km! Sie kennen einen Fahrer, der sei spontan und genug verrückt, so etwas zu machen. So besteigen wir abends um 23 Uhr das Taxi und brausen durch die Nacht. Vor uns liegen rund 15 Stunden Fahrt. Erst nach einiger Zeit wird mir so richtig bewusst, was wir hier tun… schliesslich bräuchte der Fahrer doch auch seinen Schlaf! Etwas müde und zerknittert, aber wohlbehalten kommen wir am nächsten Nachmittag in Meridá an. Die angenehme Stadt liegt auf rund 1600 m in einem Andental und ist ein guter Ausgangspunkt, um diese Gegend zu erkunden.

Wir brauchen wieder etwas Bewegung und buchen ein dreitägiges Trekking. Die Fahrt in das nicht weit entfernte Andendorf Los Nevados auf 2700 m gestaltet sich als ruppig, ist die Strasse kurvig und steinig. Das Dorf ist winzig klein und schmiegt sich an einen Hang, sehr reizvoll. Von hier wandern wir mit unserem Führer und einigen Maultieren los. Stetig geht es bergauf, wir gewinnen schnell an Höhe und die Vegetation ändert sich. Die andinen Höhenlagen sind von den samtigen, hellgrünen Schopfrosettenpflanzen geprägt. Mir gefällt diese eher karge Landschaft ausgezeichnet! Ab und zu klettern wir für eine Etappe auf die Rücken der Maulesel, denn die Luft wird immer dünner. Wir erreichen die Passhöhe auf 4200 m, geniessen den zwar mittlerweile etwas verhangenen Anblick der Berggipfel und steigen auf der Gegenseite ab. Wir übernachten in einer einfachen Hütte in einer Höhe von etwa 3200 m. Hier bei Pedro ist es zwar etwas schmuddelig, darüber könnte man noch hinwegblicken, aber es wird auch allmählich bitterkalt in Anbetracht der vorliegenden Zustände. Draussen wie drinnen ist die Temperatur gleich tief und wir frieren in der guten Stube bei 10 Grad. Auch das Feuer wärmt nicht gross, zieht es durch alle Ritzen und Löcher… ich möchte nicht mit dem Leben von diesem Kerl tauchen. Entschädigt werden wir jedoch mit einem freien Blick auf den ansehnlichen Pico Bolivar, den mit 5007 m höchsten Berg von Venezuela. Und überhaupt, gelohnt hat sich dieses Trekking trotzdem, keine Frage. Die Berglandschaft, vor allem in diesen grossen Höhen, ist so anders als bei uns, für mich sagenhaft!

Ein Besuch der Llanos, dem feuchten Grasflachland, steht an. Dieses riesige Gebiet der Weideebenen zählt zu den grössten Steppengebieten Südamerikas. Hier lebt man von der Viehzucht. Ein letztes Mal sind wir im Rahmen einer geführten Tour unterwegs. Die Anfahrt ab Meridá sowie die Rückfahrt nehmen je einen ganzen Tag in Anspruch. Zwei Tage beobachten wir die tierischen Bewohner der Steppe. Wir sind im Boot, per Jeep oder hoch zu Ross unterwegs. Unzählige Krokodile und Schildkröten sonnen sich an den Flussufern, zahlreiche Leguane klettern auf den Bäumen, die hier ansässigen Wasserschweine sichten wir und pirschen Ameisenbären hinterher. Wir sind auf Safari, das Gebiet wird auch die Serengeti Südamerikas genannt. Auch bestaunen wir die reizende Landschaft, die sich anfangs der Regenzeit in sattem Grün präsentiert. Die Hitze ist gross, 35 Grad im Schatten, und abends fallen wir in unseren Hängematten schnell in den Schlaf.

Eine weitere Nachtbusfahrt bringt uns von den Anden an die westliche Küste nach Coro. Im Zentrum zieren farbige Kolonialhäuser die Strassen. Unmittelbar ausserhalb beginnt eine weite Dünenlandschaft, die angeblich der Sahara ähnlich sieht. Wir wandern bei sinkender Sonne die sandigen Hügel auf und ab und fühlen uns danach wegen des leichten Windes ziemlich bestäubt. Diese Wüstengegend, die in leicht abgestuften Farbtönen daherkommt, gefällt mir vorzüglich. Grundsätzlich ist es mir hier aber einfach zu heiss, die Hitze steckt in der Stadt fest und ich bin ständig müde und schlaff…

Die Busse im Land weisen meistens einen guten Standard auf, aber heute fahren wir in eher klapprigen Bussen zurück nach Caracas. Die Hauptstadt lassen wir links liegen und logieren für einmal nobel in einem  Erstklasshotel in der Nähe des Flughafens. Nach unserer Reise auf dem Festland fliegen wir für die letzte Woche ins atemberaubend schöne Inselarchipel Los Roques. Die Strände hier sind aus feinstem weissen Sand und das Wasser schimmert türkisblau. Ein Traum aus Sonne, Sand und Meer! Auf der Hauptinsel Gran Roque gibt es viele Unterkünfte, die meisten der kleinen Inseln sind jedoch unbewohnt. Der Ort besteht lediglich aus ein paar Sandstrassen, Autos gibt es kaum welche. Wir landen auf Empfehlung bei Martha, einer herzlichen alten Dame, die in ihrer Posada nur drei Zimmer anzubieten hat. Die Wahl erweist sich als bestens, fallen die Mahlzeiten auch sehr lecker aus. Oft verbringen wir tagsüber Zeit unter Wasser, um auch dieses Paradies zu erkunden. Wir fahren jeden Tag zwei verschiedene Tauchplätze an und erfreuen uns der Unterwasserwelt. Habe ich doch schon an vielen Orten getaucht, geniesse ich es immer wieder auf das Neue, durch das Wasser zu schweben! Die restliche Zeit lassen wir uns auf verschiedenen Inseln an den paradiesichen, abgeschiedenen Stränden absetzen, um zu baden und relaxen. Und so gehen unsere langen Ferien hier dem Ende entgegen und bilden einen krönenden Abschluss unserer Reise!

Die Zeit in der Ferne hat mir einmal mehr sehr gefallen. Venezuela habe ich als sehr vielfältiges Land mit einer grossartigen Natur erlebt und geschätzt. Rund 100 Stunden Fahrt zähle ich für die zurückgelegte Strecke… Auch von den Venezolanern ist mein Eindruck besser als ganz am Anfang, es gibt sehr viele herzliche Leute, aber meistens sind sie eher etwas distanziert. Ich habe es genossen mit meinem Schatz unterwegs zu sein, Zeit zu verbringen, Neues zu entdecken und bin dankbar, dass alles gut gegangen ist!

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