15.03. – 23.04.2014

Tropenparadiese – über die Philippinen nach Palau

Ein Lichtermeer breitet sich unter uns aus. Kurz vor Mitternacht landen wir verspätet in der Hauptstadt der Philippinen. Die Strassen von Manila sind fast leer, unser Taxi kommt zügig voran. Der Fahrer pflegt einen etwas ruppigen Fahrstil, bringt Roland und mich aber sicher und schnell ins Hotel. Unverzüglich fallen wir in einen tiefen Schlaf…

Die Klingeln des Weckers entreisst uns aber schon bald wieder den Träumen, wollen wir nicht den ganzen Tag verschlafen. Unser schickes Hotel liegt im Stadtteil Intramuros und ist – wie es der Name vermuten lässt – von einer alten, gut erhaltenen Stadtmauer umgeben. Im Manila der Vergangenheit geht es gemächlicher zu und her, als in den anderen Vierteln der Millionenstadt. Müde schlendern wir durch die schmalen Strassen, besuchen die mächtigen Kirchen und die mittelalterliche Festung. Meiner Glieder fühlen sich bleiern an, ich nutze jede Gelegenheit, mich kurz hinzusetzen und auszuruhen. Der Jetlag lässt grüssen! Erschöpft lassen wir den Tag auf der gemütlichen Dachterrasse des Hotels bei einem Drink ausklingen. Die untergehende Sonne versinkt langsam am Horizont im Meer. Rasch bricht die Nacht herein und die Lichter der Metropole lassen die vielen Wolkenkratzer hell erleuchten.

Unser Taxifahrer hält unvermittelt an. Was ist los? Im Rückspiegel kann ich einen Polizisten erkennen. Der Lenker zückt seinen Geldbeutel. Aber mit Schmiergeld ist es wohl nicht getan. Es folgt Bürokratie, es dauert. Langsam werden wir ungeduldig, denn wir sind auf dem Weg zum Flughafen. Endlich steigt der Fahrer wieder ein. Verzweifelt berichtet er von seiner Busse in der Höhe von umgerechnet 30 Franken – für ihn wahrscheinlich einen Haufen Geld. Wir haben aber keinen blassen Schimmer, welches Vergehen vorliegt. Etwas aufgelöst nimmt er die Fahrt wieder auf, schüttelt immer wieder den Kopf und murmelt vor sich hin. Letztendlich am Ziel – ich habe es geahnt. Er setzt uns am falschen Terminal aus, meinte es besser zu wissen. Das richtige Terminal liegt nicht gleich um die Ecke, sondern rund 15 Fahrminuten entfernt. Dann geht alles schnell. Schon finden wir uns in einem weiteren Taxi, der gewiefte Filipino hat sein Geschäft gerochen. Unter Zeitdruck vergessen wir, vor Abfahrt auf ein Taxameter zu achten oder den Preis auszuhandeln. Das büssen wir mit dem Dreifachem des Preises – egal. Hauptsache wir erwischen unseren Flug. Und das tun wir.

Die Landschaft ist hügelig und dicht bewaldet. Wie ein sattgrüner Teppich breitet sie sich unter uns aus. Im Hintergrund thront stolz der perfekt geformte Vulkankegel, der Mount Mayon mit einer Höhe von 2462 Metern. Sanft setzen wir auf der Landepiste auf. Legaspi liegt eine Flugstunde südlich von Manila. In der Ankunftshalle warten viele Fahrer auf ihre Gäste, auch unsere Namen prangen deutlich auf einem der Schilder. Die Strecke ist kurvenreich, mir fallen immer wieder die Augen zu. Angestrengt kämpfe ich dagegen an, ist der Landstrich doch sehr reizvoll. Etliche Reisfelder ziehen am Fenster vorbei. Die Umgebung ist saftig grün und strotzt von Palmen und Bananenbäumen. Der letzte Teil der Anreise ist mit dem Boot zu bewältigen. Mit laut knatterndem Motor schippern wir über das in der Sonne bläulich glitzernde Meer und treffen nachmittags auf Ticao Island ein. Durstig schlürfen wir die bereitstehende Willkommens-Kokosnuss.

Das kleine und einfache Resort ist nun für eine Woche unser Zuhause. Die rustikalen Bambushütten liegen direkt am goldgelben Sandstrand. Mehrere Kokospalmen säumen in Reih und Glied den Strand und wiegen in der Brise. Von unserer Veranda lasse ich meinen Blick über das leicht plätschernde Meer und die palmenüberwachsene Bucht schweifen. Idylle pur – hier lässt es sich Entspannen.

Nebenan liegt ein kleines Fischerdorf. Wir spazieren neugierig über die sandigen Wege, vorbei an den meist ärmlichen Strohhütten. Die Bevölkerung lebt in einfachsten Verhältnissen, scheint aber zufrieden und glücklich zu sein. Oder trügt der flüchtige, sich uns bietende Anblick? Überall sitzen Leute vor den Hütten, halten einen Schwatz ab. Sie grüssen oft freundlich. Kinder folgen uns Schritt auf Tritt, bald sind wir umringt von einer ganzen Schar. Mit grossen dunkelbraunen, unschuldigen Augen kucken sie uns eingehend an, wir beobachten uns gegenseitig. „What’s your name?“, fragen sie neugierig. Geduldig beantworten wir immer wieder dieselbe Frage, von denselben Kindern, unzählige Male. Für viel mehr reicht es nicht, aber die Begegnungen sind zuckersüss und bereichernd.

Ein Windhauch zieht durch unser Bungalow. Die Hütte ist nicht ganz dicht, aber diese natürliche Klimaanlage ist durchaus angenehm. Frühmorgens öffne ich die breite Schiebetüre, erste Sonnenstrahlen kitzeln an meiner Nase. Ein prächtiger Tag steht uns bevor. Das Wasser ist spiegelglatt, mit dem Tauchboot gleiten wir ruhig dahin. Es sind wundervolle Verhältnisse für einen Tag über und unter Wasser. Wir tauchen ab und entdecken die fantastische Unterwasserwelt. Bekannt ist dieses Tauchgebiet wegen dem sogenannten „Manta Bowl“, einem Schutzgebiet für Mantarochen. Diese harmlosen Planktonfresser gehören zu den grössten Lebewesen der tropischen Meere.

Weisse Schaumkronen zieren das Meer, das Wasser wirkt trüb und grau, laut schlagen grosse Wellen am Strand auf. Der Wind bläst stark, die zerzausten Palmenblätter biegen sich alle energisch in dieselbe Richtung. Das Wetter hat sich rasch geändert, die Prognosen seien schlecht. Die Ausläufer eines Sturmes bescheren uns diese miese Wetterlage. „ Immerhin regnet es nicht“, bemerke ich. Die Tauchboote können aber leider nicht auslaufen. Wir fahren unseren Puls hinunter, relaxen und lesen. Die miserable Wettervorhersage bewahrheitet sich, auch setzt noch kräftiger Regen ein. So verstreichen die Tage bis zu unserer Abreise, ohne einen weiteren Blick unter Wasser werfen zu können. Wir sind natürlich mächtig enttäuscht, geniessen den erholsamen Strandaufenthalt aber trotzdem.

Zurück in Manila können wir leider erst für den übernächsten Tag einen Fahrschein ergattern. Viele Busse in den Norden sind ausgebucht. Schon im Morgengrauen ist das Verkehrschaos dieser Grossstadt grausam, nur langsam kommen wir vorwärts. Auch als wir das Gewusel der Stadt hinter uns lassen, geht es nur schleppend voran. Auf ein Dorf folgt das nächste und Verkehrsteilnehmer jeder Art und jedes Tempos drängen sich auf der Strasse.  Als es ländlicher und gebirgiger wird, kommen wir flinker voran. Erst kurz vor dem Eindunkeln erreichen wir nach geschlagenen elf Stunden Fahrt unser Ziel.

Banaue liegt auf rund 1400 Metern in den Bergen. Der Ort selber bietet wenig und besteht aus einer Ansammlung meist hässlicher Häuser aus Beton und Blech. Die umliegende Gegend wartet jedoch mit grossen Reisterrassen auf, die bereits vor über 2000 Jahren angelegt wurden. Von der grosszügigen Veranda unseres Guesthouses bietet sich ein toller Blick über diese grünen Treppenstufen. Die herzliche Mama und ihre Mannschaft führen diese heimelige Unterkunft mit viel Engagement, wir fühlen uns ab dem ersten Moment zuhause. In aller Herrgottsfrühe werden wir von den krähenden Hähnen aufgeweckt, was ich aber gegenüber dem Gehupe der Strassen Manilas deutlich bevorzuge.

Zu dieser Jahreszeit ist der Anbau von Reis in vollem Gange. Einige der Felder erstrahlen bereits in sattem, leuchtendem Hellgrün, andere wirken etwas farbloser, da die Halme noch kleiner und feiner sind. Weitere Flächen sind erst gewässert, was einen reizvollen spiegelartigen Effekt bewirkt. Batad zählt zu den attraktivsten Bergdörfern und liegt inmitten steil angelegter Reisfelder, die sich wie eine Treppe an den Hang schmiegen. Diese wunderschönen Reisterrassen sind wie ein Amphitheater angeordnet. Der winzige Ort ist nur zu Fuss erreichbar. Mit Regine, unserer ortskundigen Führerin, sind wir auf den schmalen Pfaden zwischen den Reisfeldern auf Erkundungstour. Sie führt uns geschickt durch dieses Labyrinth, auf uns allein gestellt würden wir bestimmt stets in einer Sackgasse landen. Die steilen, hohen Stufen und die gnadenlos brennende Sonne bringen uns schnell ausser Atem und arg ins Schwitzen. Die Strapazen lohnen sich jedoch, wir werden mit exzellenten Ausblicken auf diese einmalige Terrassenlandschaft entschädigt. Wir nächtigen in einem der einfachen Gasthäuser inmitten des Geschehens. Auf der schattigen Terrasse können wir uns bestens erholen und vor dem Eindunkeln nochmals unseren Blick über diesen grandiosen Schauplatz schweifen lassen.

Das populärste Fortbewegungsmittel im Kurzstreckenbereich ist das Jeepney. Diese bunt bemalten Sammeltaxis gehören zum typischen philippinischen Strassenbild. Die langen Jeeps mit schmalen, harten Bänken auf der gedeckten Ladefläche fahren in der Regel erst los, wenn sie voll oder übervoll mit Passagieren sind. In einem dieser ulkigen Vehikel ziehen wir weiter. Die Strecke ist mit etlichen Kurven gesegnet und der Blick in die tiefe, weite Schlucht bietet wunderbare Ausblicke.

Nach einer etwa zweistündigen Anreise erreichen wir den beschaulichen Bergort Sagada, hauptsächlich bekannt durch seine Höhlen und die „Hängenden Särge“, einer traditionellen Begräbnisform. Die Särge haften entweder an Felswänden oder sind in Höhleneingängen gestapelt. Diese Sehenswürdigkeit gibt in unseren Augen wenig her und wir sind kaum beeindruckt – für Höhlen hatte ich sowieso noch nie viel übrig. Das ruhige Dorf hat sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Ort für Backpacker gemausert, was zu einer Handvoll gemütlicher Restaurants geführt hat. Die Landschaft ist grün und hügelig, Nadelbäume prägen die Natur. Unsere Füsse tragen uns durch Schluchten, vorbei an Wasserfällen und entlang Reisfeldern. Die nicht vorhandenen Wegweiser machen es uns aber nicht immer einfach…

Damit sich die nächste Reiseetappe nicht unendlich lange hinzieht, kalkulieren wir zwei Tage ein. Die ersten 100 Kilometer durch die fabelhafte Bergwelt fressen etwa sechs Sunden, die vorangegangenen zwei Stunden mühseligen Wartens auf den Bus nicht eingerechnet. Die staubige Strasse windet sich oft an ziemlich steilen Hängen entlang. Eine markante Tafel weist auf den höchsten Punkt der Strecke hin – 2255 Meter. Die Ausblicke sind spektakulär, Gemüsefelder ohne Ende, die meisten davon terrassenförmig angelegt. Nach einem leckeren Nachtessen und einer gesunden Portion Schlaf – viel mehr bietet unser Etappenziel Baguio nicht – verlassen wir am nächsten Morgen mit dem erstbesten Bus die höheren Gefilde. Bald lässt sich der blaue Ozean erblicken, wir tuckern der Westküste entlang. Die Strecke ist gesäumt von Reis- und Maisfeldern sowie zahlreichen Mangobäumen. Wir lieben diese überaus süssen, saftigen Früchte, die zur Zeit überall reif feilgeboten werden –  wie köstlich sie munden. Die Landschaft wird nun immer trockener, auch karger, je nördlicher wir kommen.

Vigan ist die am besten erhaltene spanische Stadt der Philippinen. In der Altstadt stehen noch zahlreiche herrschaftliche Kolonialhäuser. Durch die Gassen hallt das Klappern der Pferdehufe. Man kann sich für ein paar Pesos durch die Strassen kutschieren lassen. Eine der Gassen ist für den restlichen Verkehr gesperrt, was das Bummeln besonders gemütlich macht. Wir bestaunen die kolonialen, teilweise renovierten Bauten – eine architektonische Hinterlassenschaft der Spanier. Die Fensterwelt ist einzigartig. Die reizenden Häuser verfügen über grosse Fenster mit verschiebbaren Fensterläden und  Scheiben aus Muschelschalen, die das Licht der tropischen Sonne gut dämpfen. Sitzbänke laden zum Pausieren, Verweilen und Beobachten ein. Erst jetzt realisieren wir, dass wir uns inmitten anderer Touristen befinden. Da fast alle asiatischstämmig sind, fällt es weniger auf. Wir sind es wohl eher, die auffallen. Spannend ist es, die Japaner, Chinesen und Co. zu beobachten –  wie anders sie sind. Möglichst viele Geschöpfe sollen ihre Köpfe in den Vordergrund ihrer Fotos strecken. In unseren Augen gilt ein Bild als gelungen, wenn niemand vor den hübschen Häusern lächelt. Ich bin begeistert von diesem alten attraktiven Stadtteil. Die bildschönen Gassen mit einer Szenerie wie aus dem 17. Jahrhundert sind eine Augenweide.

Aus den prophezeiten sieben Stunden Busfahrt südwärts werden schlussendlich mühselige lange zehn Stunden. Die Strassen sind oft verstopft und es geht nur stockend voran. Abends treffen wir endlich in Angeles – nur unweit von Manila – ein. Gerade noch rechtzeitig, um für den nächsten Tag die geplante Tagestour zum Mount Pinatubo zu organisieren. Der 1485 Meter hohe Vulkan brach nach über 600 Jahren 1991 erneut aus. Durch diesen weltweit schlimmsten Vulkanausbruch, bei dem der Berg 260 Meter an Höhe einbüsste, wurde ein mehrere 1000 Hektar grosses Gebiet mit Asche und Sand verwüstet, wodurch gleichzeitig eine neue, einmalige Landschaft entstand. Diese ist inzwischen weitgehend übergrünt.

Den ersten Teil der Strecke legen wir in einem offenen Geländefahrzeug zurück. Auf der rüttelnden Fahrt durch dieses eindrucksvolle Gelände werden wir mit einer feinen Staubschicht überzogen. Anschliessend wandern wir entlang imposanter Schluchten und bizarren Felsformationen. Bereits frühmorgens brennt die Sonne steil vom stahlblauen Himmel. Staubig und verschwitzt erreichen wir den riesigen Krater, wo sich ein grünblauer See gebildet hat. Die Kraterwände sind zerfurcht und spitz. „Dieses Bild erinnert mich an einen Bergsee in den Alpen“, äussert sich Roland. Der Ausblick von oben ist traumhaft. Das Bad im See ist erfrischend und das Picknick stillt unsere Hungerbäuche. Aufgetankt und abgekühlt nehmen wir den Rückmarsch in Angriff. Der Ausflug hat sich gelohnt, nicht so die Stadt Angeles selber, die abgesehen von etlichen Bars und zwielichtigen Nachtlokalen nichts bietet. Der Sextourismus boomt hier nach wie vor, obwohl die Militärs der amerikanischen Air Force längst abgezogen sind. Als weisses Paar sind wir auf einsamer Flur, fast jeder Weisse führt eine junge Filipina an der Hand. Kein Grund also, hier länger zu verweilen…

Etwas verschlafen nehme ich wahr, wie Regen auf das Dach unseres Bungalow prasselt. Palau begrüsst uns mit heftigen Niederschlägen, der Morgen präsentiert sich grau in grau. Nach einem knapp dreistündigen Flug sind wir mitten in der Nacht in diesem Tropenparadies Mikronesiens gelandet. Der pazifische Staat umfasst 356 Inseln, von denen nur elf bewohnt sind und zählt lediglich ca. 20’000 Einwohner.

Langsam lichtet sich der Wolkenvorhang und wir können die Umgebung erstmals ausmachen. Unsere Hotelanlage liegt leicht erhöht an einem Hang, nahe des geschäftigsten Ortes Koror, und bietet einen vorzüglichen Blick auf die Buchten der grössten Insel Babeldaob. Diese misst aber lediglich 44 Kilometer in der Länge und ist somit problemlos in einem Tag zu erkunden. Zusammen mit Mattia, einem Deutsch sprechenden, sympathischen Italiener, sind wir mit einem Mietauto unterwegs. Die Vegetation ist üppig, die Insel ist dicht überwachsen. Die grünfarbenen Pflanzen schlingen sich regelrecht ineinander – Dschungel pur. Kein Wunder also, dass es auch heute immer wieder regnet. Das Eiland ist geprägt von leicht geschwungenen Hügeln, so bietet sich stets wieder ein Blick von oben. Die Ausdehnung des Grüns mutet wie ein überdimensionaler Brokkoli an. Leider ist der Himmel verhangen und wir können nur erahnen, wie das graublaue Meer im Sonnenlicht türkisblau leuchten würde. Die Regengüsse starten und enden von einer Sekunde auf die nächste, wie wenn jemand einen Wasserhahn auf- und zudrehen würde.

Plötzlich taucht wie aus dem Nichts inmitten des Regenwaldes ein hell strahlendes riesiges Gebäude auf, das an das Kapitol in Washington erinnert. Wir trauen unseren Augen kaum. Es ist das Regierungsgebäude. Die Anlage macht bei näherer Inspektion einen etwas verwaisten Eindruck. Der Hauptort Melekeok zählt nur knapp 400 Einwohner. Auf der erstaunlich guten, asphaltierten Ringstrasse nehmen wir die Fahrt wieder auf. Es gibt kaum Verkehr, auch sieht man wenig Leute. Die vereinzelten Dörfer sind verschwindend klein. Über einen schmalen Pfad wandern wir zum angeblich grössten See Mikronesiens, den ich aber eher als Weiher betiteln würde. Der Weg schlängelt sich durch den Dschungel, der den Anschein eines Märchenwaldes erweckt. Die Baumstämme sind oft dick mit samtigen Moos eingekleidet. Rote fleischfressende Pflanzen hängen vom Geäst. Roland ist im Element – im Regenwald entdeckt der jeweils einen Haufen Details, die er mit seiner Kamera liebend gern ablichtet. Es ist schwül und feucht, ich fühle mich klebrig und habe das Gefühl, kaum Sauerstoff zu kriegen. Wieder aus dem Wald ist die sanfte Brise eine Wohltat. Oft steht die Luft aber fast still und die hohe Luftfeuchtigkeit macht mir zu schaffen.

Wie sieht die Wetterlage wohl heute aus? Ich sitze wie auf Nadeln, denn wir haben einen Helikopterrundflug gebucht. Dunkle Wolken hängen böse vom Himmel, Regenspritzer und Sonnenschein stehen im gegenseitigen Kampf. Das Glück ist uns gut gesinnt und wir erwischen ein wunderbar sonniges Zeitfenster. Es ist phänomenal mit dem Hubschrauber über die paradiesische Inselwelt zu schweben und diese von oben zu bestaunen. Die sogenannten „Rock Islands“ ragen wie vom Dschungel überwucherte Pilze aus dem Wasser und deren verschiedene Formationen geben ein sagenhaftes Bild ab. Die meisten dieser Kalksteininseln sind von Korallenringen umgeben. Das Meer leuchtet in verschiedenen Blautönen, von tiefblau bis türkis. Das Wasser ist so klar, unser Pilot spottet sogar einige Dugongs, eine Art der Seekühe. Palau von oben ist schlichtweg atemberaubend. Plötzlich zeigt sich bedrohlich eine dunkle graue Wand vor uns, die nächste Front ist im Anzug. Es ist sowieso Zeit umzukehren…

Lautlos gleiten wir mit den Kajaks durch das Wasser, vorbei an den Mangroven und den grün überwachsenen Erhebungen. Diese sind teilweise unterspült, was zu einzigartigen Inselformen und Höhlenbildungen führt. Es ist Ebbe und das Wasser seicht und klar, die Korallen schillern im Wasser. Ausser für unsere Arme, die das Paddeln nicht gewohnt sind, ist der Ausflug sehr entspannend. Genüsslich lassen wir die makellose Inselwelt aus dieser anderen Perspektive auf uns wirken.

Unsere letzte Woche verbringen wir im Süden auf der geschichtsträchtigen Insel Peleliu. Im zweiten Weltkrieg war das nur 13 Quadratkilometer grosse Eiland Schauplatz einer dramatischen Schlacht zwischen Japanern und Amerikanern. Heute erinnern noch verschiedene verrostete Relikte aus Kriegszeiten an die blutige Vergangenheit. Die Vegetation hat sich jedoch erholt und undurchdringlicher Dschungel überwuchert die Insel. Die Leute sind sehr herzlich, ich bin positiv überrascht und fühle mich überaus willkommen. Haben wir die Bevölkerung im Norden vorwiegend von einer eher gleichgültigen, weniger warmen Seite kennengelernt.

Und wieder brodelt es in der Wetterküche. Eine Front zieht über die pazifische Inselwelt hinweg und beschert uns unberechenbares Wetter. Das grünblaue Meer ist aufgewühlt. Das Tauchboot kämpft gegen die grossen Wellen an. Der beleibte Skipper – wie die Mehrheit der Palauer mit viel zu vielen Kilos auf den Rippen – klebt behäbig auf der Bank, steuert das Boot aber sehr vorsichtig und gekonnt. Trotzdem werden wir schon vor dem Tauchgang klatschnass, wenn nicht von den spritzenden Wellen, dann von unerwünschten Tropenschauern.

Heute, ein paar Tagen später, sieht das Wetter endlich vielversprechend aus. Der Ozean ist zur Ruhe gekommen, das klare Wasser glänzt in der Sonne. Die Verhältnisse sind nun ideal. Bereits auf der angenehmen Fahrt zu den Tauchrevieren erspähen wir in der Ferne wage ein paar graue Flossen – Delphine! Es handelt sich um eine grosse Schule dieser intelligenten Meeressäuger. Dynamisch gleiten sie neben unserem Boot durchs Wasser, reiten auf der Bugwelle und beglücken uns mit ihren klassischen Sprüngen.

Blubbernd versinken wir im blauen Nass und lassen uns von der Welt dort unten verzaubern. Der „Blue Corner“ ist der bekannteste und spektakulärste Tauchplatz auf Palau. Durch das offene Meer tauchen wir dem Riffplateau entgegen. Die Strömung an der Riffkante ist gross und sie würde uns ohne stetiges Flossenschlagen davontragen. Mit einem Riffhaken, der an unserer Tauchweste befestigt ist, machen wir uns nahe der Riffkante an einem toten Korallenblock fest. Nun hängen wir richtiggehend in der Strömung und können entspannen. Der Film ist bereits angelaufen, er läuft eigentlich pausenlos. Die Hauptdarsteller sind die Grossfische. Es gibt Haie ohne Ende –ich bin überwältigt! Dutzende von Riffhaien gleiten elegant und oft sehr nah an unseren Tauchmasken vorbei oder ziehen über unsere Köpfe hinweg. Noch nie habe ich so viele dieser anmutigen grauen Kerle auf einmal gesichtet. Dies ist aber erst ein Teil des Spektakels. Auch der wuchtige tanzende Makrelenschwarm, der mächtig neugierige Napoleon-Fisch, die furchteinflössenden silbrigen Barrakudas sowie die massenhaft bunten Fischlein, deren Flossen nervös im ziehenden Strom flattern, lassen unsere Herzen höher schlagen. Die maximal mögliche Tauchzeit vergeht viel zu schnell. Gefühlt sind es Minuten, in Tat und Wahrheit über eine halbe Stunde. Wir lösen unsere Haken und werden sofort von der Strömung erfasst und weitergetrieben…

Auch der nächste Tauchplatz, das „Blue Hole“, ist ein Traum. Durch einen runden Kamin tauchen wir in eine geräumige, lichtdurchflutete Höhle ein. Rund 20 Meter segeln wir in die Tiefe, um dann gemächlich den bewachsenen Wänden empor zu tauchen. Durch ein grosses Loch gelangen wir ins offene Meer und an das steil abfallende Riff, welches hinreissend mit Hartkorallen geschmückt ist. Wie viele bunte Fische sich da tummeln! Wir sind fasziniert. Ich glaube, mich in einem gigantischen Aquarium zu befinden. Überall entdecken wir wieder neue Schätze. Wendet man sich der Wand ab und lässt seinen Blick in die blaue Tiefe schweifen, entdeckt man wieder die grossen Grauen, die Riffhaie. Und was steuert denn von schräg oben auf uns zu? Eine Meeresschildkröte – deren wohlgemusterten Panzer ich liebend gerne bewundere – paddelt gemütlich dem Riff entgegen. Diese Gewässer strotzen nur so von Leben, geheimnisvoll und verborgen unter der Wasseroberfläche. Für heute verabschieden wir uns von der glanzvollen Unterwasserwelt, strecken zufrieden unsere Köpfe wieder über Wasser und ziehen uns an der Leiter ins Boot hoch. Zischend schiessen wir über das glänzende Wasser und sind umgeben von den grünen Inselhügel und dem türkisfarben leuchtenden Meer – ein Bild wie aus einem Reisekatalog.

Nachmittags entspannen wir uns jeweils im kleinen Resort. Die schnuckligen Holzhütten mit privater Veranda stehen in einem gepflegten Garten mit zahllosen tropischen Pflanzen und Blumen. Davor liegt ein palmengesäumter, schmaler Strand mit ein paar Liegen. Mein Lieblingsplatz ist jedoch die Hängematte, ich liebe es hier zu verweilen und die Seele baumeln lassen. Die untergehende Sonne lässt den Himmel stimmungsvoll in den verschiedensten Farbtönen von Orange über Rot bis Lila aufflammen.

Der Fahrtwind streicht mir durch die Haare und kühlt angenehm die Haut. Die Sonne strahlt bereits ihre wonnige Wärme aus, das Wetter ist in bester Laune. Das Schnellboot bringt uns von Peleliu zurück in den Norden. Unsere Stunden auf Palau sind leider gezählt… Noch ein letztes Mal ziehen die lieblich geschwungenen Hügel dieser malerischen Inselwelt an uns vorbei. Der Himmel leuchtet in sanftem Hellblau und ist durchsetzt von weissen, zerzausten Wolken, die mich an Wattebäusche erinnern. Die Kulisse ist zauberhaft – ich kann mich kaum sattsehen!

In meinem Inneren spulen sich die Erlebnisse der vergangenen Wochen langsam ab – drei Wochen Philippinen und zwei Wochen Palau. Die Reise war abwechslungsreich geprägt wie das Wetter, das uns nicht stets gut gesinnt war. Aber unsere Abenteuer und Begegnungen über und unter Wasser waren herrlich und eindrucksvoll, sie bleiben unvergesslich.

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Reisereportage Globetrotter-Magazin – Winter 2016


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