20.10. – 30.11.2013

Nepals atemberaubende Bergwelt…

Aus dem kleinen Flugzeugfenster lachen uns die schneebedeckten Gipfel des Himalayas entgegen. Nepal begrüsst uns mit seinen majestätischen Bergriesen. Wow, was für ein Empfang! Es ist frühmorgens, das Wetter ist klar und die Sicht perfekt. Wir ahnen damals noch nicht, dass wir uns auf solche Wetterverhältnisse und einen freien Blick auf die Berge noch lange gedulden müssen…

Auf der Fahrt mit dem Taxi zu unserem Hotel glaubt man kaum, in der Hauptstadt Kathmandu gelandet zu sein. Zwar ist es eine Millionenstadt, aber diese engen holprigen Strassen, die unser Fahrer wählt, lassen keineswegs darauf schliessen. Es werden wahrscheinlich Abkürzungen sein, um die verkehrsreichen Hauptachsen zu umgehen. Im Stadtteil Thamel, dem chaotischen Touristenviertel, herrscht ein regelrechtes Gewusel. Es ist staubig, geschäftig und laut, gehupt wird von allen Seiten. Es gibt aber auch ruhige Seitengassen und in einer solchen liegt glücklicherweise auch unsere Unterkunft. Hotels, Restaurants, Souvernirshops, Läden mit Trekkingausrüstung und Reiseagenturen reihen sich aneinander. Fussgänger, Motorräder, Autos und Taxis drängen sich durch die schmalen Strassen, die schnell verstopft sind.

Wir führen uns Kathmandus Altstadt zu Gemüt, lassen uns durch das Wirrwarr an belebten Gassen treiben und tauchen ein, in diese andere fremde Welt. Der lebendige Durbar Square besticht durch seinen alten Königspalast, mehrere Tempel und Souvenirhändler. Es wimmelt von Menschen… Ausserhalb auf einem Hügel thront der buddhistische Stupa Swayambhunath, da geht es ruhiger und bedächtiger zu und her. Die Pilger umrunden betend das Heiligtum und bringen die vielen Gebetsmühlen in Schwung. Auch der weisse Stupa Boudha ausserhalb der Stadt fasziniert uns. Es ist das heilige Herz der buddhistischen Exiltibeter. Auf dem Turm der riesigen Kuppel sind auf allen vier Seiten die forschenden blauen, alles sehenden Augen Buddhas aufgemalt. Wir nehmen uns Zeit und beobachten die vielen Pilger und Mönche bei ihren Ritualen. Unpassend finde ich die hohen farbenfrohen Häuser mit Läden und Restaurants, die unmittelbar rund um den Stupa errichtet wurden. Wie eine Filmkulisse muten sie an… Nicht weit entfernt liegt Nepals heiligster hinduistischer Pilgerort Pashupatinath, ein eindrückliches Gewimmel aus unzähligen Tempeln, Gläubigen und halbnackten heiligen Männern, den Sadhus. Hier finden am Fluss öffentliche Leichenverbrennungen statt. Mir war nicht bewusst, dass die Mehrheit der Einwohner dem Hinduismus frönt und die Anhänger des Buddhismus in der Minderheit sind.

Wir entscheiden uns, als nächstes die nähere Umgebung, das Kathmandutal, zu besuchen. Nicht weit entfernt liegt Bhaktapur, die besterhaltene alte Stadt des Tals. Hier nimmt das Leben seit Jahrhunderten seinen gewohnten Gang. Es ist friedlich, durch die gepflasterten Strassen und verkehrsarmen Gassen zu schlendern. Tagsüber ist die kleine Stadt von Touristen bevölkert, die den Durbar Square, den grossen Platz der Tempel, unter die Lupe nehmen. Der bildschöne Königspalast ist reichlich verziert und wartet mit 55 Fenster auf, ein wahres Kunstwerk. Morgens und abends ist es angenehm ruhig und wir haben den Ort fast für uns allein… Eine Wanderung führt uns zu einem der angeblich schönsten Tempel im Tal. Der Changu Narayan ist mit kunstvollen Skulpturen bereichert und liegt abgeschieden auf einem Bergrücken. Der Weg ist jedoch ganz klar das Ziel. Dieser bringt uns durch kleine Dörfer und gibt uns einen Einblick in das Landleben. Reis wird angepflanzt und zur Zeit steht die Ernte an. Alles geschieht in Handarbeit. Ich staune, wie gross die Lasten sind, die von Frauen geschleppt werden. Von hinten ist oft keine Person mehr auszumachen, nur eine wandelnde Ladung Holz oder Grünzeug.

Die Fahrt ist kurvenreich, die Strasse schmal und ich hoffe, der klapprige, leicht wankende Bus stürzt nicht in den Abgrund. Nagarkot liegt auf rund 2000 m, etwa 700 m über dem Kathmandutal. Bei gutem Wetter bietet der kleine Touristenort ein wunderbares Bergpanorama. Wir wählen ein perfekt ausgerichtetes Hotel sowie ein Zimmer mit einer grossen Fensterfront und Veranda. So haben wir sogar Bergsicht vom Bett aus, theoretisch. Aber leider ist das Wetter diese Tage etwas launisch, oft ist es bewölkt oder neblig. Stets hängt ein grauer Wolkenvorhang vor den Bergen. Dann eines Morgens heben sich am Horizont ein paar Schneegipfel leicht vom Himmel ab. Wir können erstmals das Himalaya-Gebirge teilweise erkennen und die restlichen Gipfel erahnen. Sagenhaft, die Freude unsererseits ist gross! Zur Erkundung der Gegend und Erhaltung unserer Fitness sind wir zu Fuss unterwegs. Es ist kein leichtes Unterfangen stets auf dem richtigen Wanderpfad zu bleiben. Es gibt keine Markierungen und Wegweiser. Auf dem Rückweg unserer Rundwanderung sind wir mehrmals gezwungen, Einheimische zu fragen. Sie sprechen meist nur brockenweise Englisch. Wenn wir Nagarkot erwähnen, weisen sie uns stets der nahegelegenen Hauptstrasse zu, damit wir dort den Bus nehmen können. Das ist natürlich nicht unsere Absicht. Verständlich, sie kennen unsere Wanderlust wohl nicht, zu Fuss unterwegs sein ist für sie ein Mittel zum Zweck.

Wir ziehen weiter, verlassen die Region um Kathmandu. Die erste längere Busfahrt steht an. Wir können unglücklicherweise lediglich die hintersten Sitzplätze ergattern. Nur langsam kommen wir voran, der Verkehr ist immens. Endlich aus der Grossstadt raus windet sich die Strasse ins Tal hinunter. Diese Strasse von Kathmandu nach Pokhara, ca. 200 km, sei eine der Besten im Land. Dieser erste Teil kann kaum gemeint sein, Schlaglöcher und kaputte Streckenabschnitte sind an der Tagesordnung. Der Bus ist kaum gefedert, wir hopsen auf dem Sitz auf und ab. Die Strasse ist grausam staubig, zwar gesäumt von Pflanzen, die sich aber farblich kaum mehr von der Strasse abheben. Diese armen Geschöpfe, die gesamten stinkenden Abgase kriegen sie auch in voller Wucht ab. Mittags steigen wir um und finden uns erneut auf den letzten Plätzen. Der kleine Bus ist vollgepfercht, als er endlich losfährt. Er schnaubt die Strasse hoch und hält an jeder Ecke….

Eine gute Stunde später erreichen wir das hoch über dem Tal gelegene Städtchen Gorkha, das sich an den Berghang schmiegt. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, aber erstaunlich untouristisch. Der einstige Königspalast ist ein architektonisches Meisterwerk und sitzt 300 m höher auf einem Bergrücken. Wir erklimmen die vielen steilen Stufen und geraten arg ins Schwitzen. Hoffentlich können wir nebst dem Palast und der vielen hinduistischen Pilger auch die Bergwelt erblicken. Leider sieht man aber heute sowie die nächsten Tage nicht weit, es ist dunstig oder sogar neblig. Der Ort selber bietet wenig, aber es ist spannend, die heimische Bevölkerung im Alltagsgeschehen zu beobachten. Die Leute, allgemein die Nepalis, sind liebenswert, grüssen einem oft freundlich mit einem „Namaste“ und pressen dabei die Hände zusammen. Was mich aber immer wieder stört und ich mich während der ganzen Reise nie daran gewöhne, ist ihre Rotzerei. Sie spuken ihre Säfte munter und hemmungslos aus, mitten auf die öffentlichen Plätze, oft knapp vor oder hinter deine Füsse. Und wohlgemerkt, Mann und Frau gleichermassen!

Wir möchten weiter, haben es hier gesehen. „Es fahre jetzt kein Bus“, sagt man uns an der Rezeption beim Auschecken, „vielleicht später“. Mist, was soll das? Hinsichtlich der Mitte November stattfindenden Wahlen sei heute in dieser Region ein Generalstreik, es dürfen weder Busse noch Autos fahren. Stimmt, es war doch frühmorgens so angenehm ruhig im Hotelzimmer, nun besinnen wir uns. Niemand weiss genau, ob später am Tag wieder Busse fahren, geschweige dann wann. Wir können es kaum wahrhaben, denn wir wollen weg. Und der Nebel hängt heute auch wieder von den Dächern… Militär und Polizei sind unterwegs, man weiss nicht genau, was abgeht. Wir warten, und warten, hoffen, und checken die Lage an der Busstation. Nichts geht! UNO-Wahlbeobachter, die wir auf der Strasse treffen, warnen uns, wir müssen vor und während den Wahlen stets mit irgendwelchen Streiks regional oder landesweit rechnen. Mitte Nachmittag geben wir uns geschlagen und checken erneut im Hotel ein. Am nächsten Tag hat sich die Situation vollends normalisiert, es sieht gut aus für unsere gewünschte Abreise. Der Bus wird beladen, halbe Schlafzimmer werden auf dem Dach festgezurrt. Das dauert, nun ist Geduld gefragt. Mit einer knappen Stunde Verspätung sind wir abfahrbereit. Aber wir kommen kaum vom Fleck, der Bus hält ständig an, für längere Zeit, wofür auch immer. Endlich im Tal angelangt steigen wir in einen anderen Bus um. Eingeklemmt zwischen drückenden Schenkeln warte ich sehnlichst auf die Abfahrt. Es geht nicht los, bevor nicht auch alle Stehplätze belegt sind. Langsam nehmen wir die kurze Strecke bergwärts unter die Räder. Über vier Stunden sind wir für die lächerlichen 50 Kilometer unterwegs, kaum fassbar!

Das kleine verschlafene Bandipur macht einen netten Eindruck. Das Zentrum ist gesäumt von stattlichen Häusern mit hinreissenden Fassaden und Fenstern. Die hübsch mit Steinen gepflasterte Hauptstrasse ist autofrei, eine Wohltat. Diese Fussgängerzone beheimatet den Bazar, man findet Läden und kleine Restaurants mit jeweils zwei oder drei Tischen im Freien. Wir geniessen diese Idylle und die Sonne bei einer Tasse Nepali Tee… Diwali, das Lichterfest wird in diesen Tagen gefeiert. Abends verzaubern unzählige Kerzen und kleine Öllampen vor den Häusern und in Reihen an den Fenstern das Dorf. Leider werden die Lichter auch oft durch elektrische bunte Lichterketten ersetzt, was kitschig wirkt. Dieses bedeutende mehrtägige Hindufest ist von religiöser Seite her vergleichbar mit unserem Weihnachtsfest. Licht über Dunkelheit, Sieg des Guten über das Böse, dies das Motto.

Der Ort ist in den umliegenden Hügeln eingebettet, die Lage ist fantastisch. Wir wandern zum winzigen, malerischen Dorf Ramkot und verschaffen uns einen Einblick in dieses ländliche, abgeschiedene Leben. Das Reisehandbuch wirbt mit umwerfenden Ausblicken auf den Himalaya. Aber auch hier ist es morgens neblig, dann dunstig, die Fernsicht ist schleierhaft. Vor zehn Uhr drücken die Sonnenstrahlen meist nicht durch und nach vier Uhr versinkt die Sonne bereits hinter dem Horizont, es wird früh dunkel. Die Tage sind somit kurz und ohne Sonne wird es sofort kühler, empfindlich kühl. Somit ist es nirgends mehr richtig gemütlich, weder drinnen noch draussen. Wir ziehen unsere warmen Schichten über, geheizte Zimmer sind Wunschdenken. Oft verabschieden wir uns deshalb auch früh ins Bett, Schlafmangel ist fern.

Unsere vorherige Reiseetappe kam nicht richtig in die Gänge, nun möchte ich dem Busfahrer auf die Bremse stehen. Er rast, in meinen Augen gestaltet sich die Fahrt zu rasant. Gut, wir nehmen einmal mehr mit den hinterletzten Plätzen Vorliebe, da empfindet man sicherlich alles doppelt so schlimm. Ich meine, in den Kurven vom Sitz geschleudert zu werden. Der Strassenbelag bringt den ganzen Bus zum Scheppern und die Fenster öffnen sich dadurch ständig. Ein fieser Wind bläst uns ins Gesicht. Dafür sind wir schneller als gedacht am Ziel. Der Bus ist mittlerweile schon fast leer, der Fahrer hat kaum für die am Strassenrand winkenden, potentiellen Fahrgäste angehalten. Er war offensichtlich in Eile…

Pokhara, am Fusse des Annapurna-Massivs gelegen, ist der Ausgangspunkt für viele Trekkingrouten. Wir haben vor, in den nächsten Tagen eine mehrtägige Tour zu starten. Frühmorgens steigen wir als erstes auf die Dachterrasse unseres sympathischen Hotels, um zu sehen, ob wir einen ersten Blick auf die Achttausender erhaschen können. Noch etwas in Wolken verhüllt, aber doch recht klar und nah, stellen sich die Schneegipfel zur Show. Noch mehr schätzen wir diesen prächtigen Anblick, als uns der Kellner preisgibt, es sei seit zehn Tagen das erste Mal, dass sich die Berge wieder zeigen. Wir schätzen uns privilegiert und erfreuen uns des prima Wetters.

Der Touristenbezirk Lakeside liegt, wie es der Name sagt, an einem See. Mit einem kleinen Holzboot lassen wir uns über das Wasser rudern. Auf der anderen Uferseite folgen wir dem steilen Weg durch den Wald auf eine Hügelkuppe, wo ein weisser buddhistischer Tempel thront. Von dort oben ist der Bergblick noch imposanter. Im Vordergrund der See, dahinter die makellosen Gipfel, eine Augenweide! Abgesehen vom vorzüglichen Wetter und dem herrlichen Panorama ein nicht ganz einfacher Tag für uns… Seit Beginn der Reise plagen mich stets Rückenschmerzen und diese stellen unser Vorhaben eines längeren Trekkings ohne Führer und Träger in Frage. Unser Wunsch ist es, ganz unabhängig auf eigene Faust zu wandern und spontan entscheiden zu können. Hin und her gerissen wählen wir schlussendlich die vernünftigere Variante und nehmen uns einen Träger. Dieser entlastet uns vom Hauptgepäck, dem grossen Rucksack von Roland, welcher nun meinen kleineren Rucksack buckelt. Und ich bin somit lastenlos und letztendlich auch erleichtert.

Yuba, unser Träger, entpuppt sich als gute Wahl und wir sind überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Er schleppt, gibt uns hin und wieder einen Tipp, aber wir bleiben in der Etappen- und Unterkunftwahl trotzdem frei und entscheiden von Tag zu Tag. Unser Ziel ist das Annapurna Basecamp auf über 4000 m. Vom Startpunkt auf rund 1000 m führt der Weg stetig bergauf. Das Wetter ist bewölkt, was für die ersten Wanderstunden angenehm ist. Den ersten Tag beschliessen wir mit angeblich über 3000 Treppenstufen, eine schweisstreibende Angelegenheit. Wir wissen zu jenem Zeitpunkt noch nicht, dass noch abertausend dieser Steinstufen folgen werden, die ich schlussendlich mehr als satt habe. Zwei Tage später stehen wir frühmorgens auf dem Poon Hill – 3210 m, dem ersten Etappenziel. Wir und haufenweise andere Trekker geniessen das grandiose Bergpanorama bei Sonnenaufgang. Das Wetter ist klar, worüber wir dankbar sind. Dieses Wetterglück steht uns nun Tag für Tag bei, oft ist der Himmel stahlblau und keine Wolken drängen sich vor die Berge, was ansonsten oft der Fall ist. Wir wissen es sehr zu schätzen…

Wir nächtigen in Lodges, auch Teehäuser genannt. Die Zimmer sind einfach und ungeheizt, aber annehmlicher als vorgestellt. Die Speisekarten präsentieren sich erstaunlich vielseitig und wir können uns relativ abwechslungsreich ernähren. Ich habe mich auf einen eintönigen Speiseplan eingestellt. Das Nationalgericht Dhal Bat, dass die lokale Bevölkerung zweimal täglich verdrückt, besteht aus Reis, Linsensauce und Currygemüse.

Am dritten Tag habe ich eine Krise. Ich spüre die Höhe von 3000 m bereits in meinem Kopf und fühle mich deshalb nicht so gut. Es kommt dazu, dass wir sehr viel frieren, selten ist es wohlig warm. Die Sonnenscheindauer und somit die Tage sind kurz, ab drei oder vier Uhr nachmittags beginnen bereits die langen, ungemütlichen Abende. Im Zimmer ist es kalt und im Speisesaal auch nicht heimelig, ein Ofen ist selten. Wir wärmen uns immer wieder an einer Tasse heissem Tee, was uns in der Nacht mehrmals dem Schlafsack entlockt. Ein Pinkelgang bedingt, raus aus dem Zimmer auf ein eiskaltes Klo. Meist legen wir uns vor acht Uhr schlafen. Die Nächte sind lang, schläft man in solchen Höhen nicht immer tief und problemlos. Wehmütig verlasse ich am Morgen das aufgewärmte Nest und freue mich auf die ersten Sonnenstrahlen. Ja, ich habe Bedenken für die noch höheren Gefilde und befürchte, nicht genügend wärmespendend ausgerüstet zu sein. Auch Roland blickt unserem Vorhaben leicht skeptisch entgegen. Am nächsten Morgen nach einem sättigenden Frühstück in der Sonne geht es mir besser. Von heute an sind wir positiv gestimmt, wir wollen da hoch, basta. Auch gewöhnen wir uns an diesen Trekkingalltag und die in uns kriechende Kälte…

Die Pfade führen uns auf und ab, aber wir gewinnen stets an Höhe. Ab dem fünften Tag geht es nur noch aufwärts, einem tiefen, bewaldeten Tal empor. Wir durchstreifen feuchte, schattenspendende Bambuswälder. Bewusst gehe ich ganz langsam, zwinge mich, viel zu trinken, um weitere Höhenbeschwerden zu vermeiden. Meistens ergeben sich Tagesetappen von vier bis sechs Stunden. Eine Menge Volk ist unterwegs, darunter viele Träger. Teilweise tragen sie Lasten, die wir wohl kaum heben könnten. Flink huschen sie an uns vorbei, mehrere zusammengschnürte Gepäckstücke auf dem Buckel, befestigt nur an einem Band, das um die Stirn führt… wahrhaftige Lastesel.

Nach einer bitterkalten Nacht auf 3700 m wandern wir am siebten Tag definitiv unserem Ziel entgegen. Das Tal hat sich weit geöffnet und der Weg führt uns durch eine teilweise schneebedeckte, vereiste Landschaft. Die höchsten Berge der Welt ragen hoch in den tiefblauen Himmel. Die Luft ist dünn, das Atmen fällt etwas schwerer. Die Bergriesen werden immer mächtiger. Nach knapp zwei Stunden erreichen wir das Annapurna Basecamp auf 4130 m. Nun sind wir rundum von Schneegipfeln mit einer Höhe von 7000 bis über 8000 m umgeben, sie kreisen uns regelrecht ein. Die Naturkulisse in diesem Bergkessel ist überwältigend und wir sind glücklich, unser Ziel erreicht zu haben!

Wir erkunden die phänomenale Umgebung, geniessen diesen Rundumblick auf die Eisriesen und die Gletscher. Die wärmende Sonne verabschiedet sich aber schon um zwei Uhr hinter die Gipfel. Sofort wird es empfindlich frisch und wir verziehen uns in die Stube, zwar auch kalt, aber windgeschützt. Gegen Abend wird ein Gasofen unter den langen Tisch gestellt und wärmt immerhin unsere Beine. Die Nacht ist eiskalt, am Morgen im Zimmer das Thermometer auf minus ein Grad gesunken. Nichts desto trotz, raus aus dem kuscheligen Schlafsack, rechtzeitig zum Sonnenaufgang. Draussen ist es noch ein paar Grad kälter und es weht ein bissiger Wind. Die ersten Bergkuppen werden erleuchtet, färben sich leicht rot. Erst rund zwei Stunden später profitieren auch wir von den wärmenden Strahlen und können uns langsam aus den vielen Schichten schälen. Die stolze Höhe vertragen wir gut, die vielen vorangegangen Nächte über 2000 m tragen bestimmt zur gelungenen Akklimatisation bei. Begeistert von diesem eindrücklichen Naturschauspiel – mit Worten kaum beschreibbar – steigen wir wieder den tieferen Lagen entgegen.

Ich bin erleichtert, die frostigsten Nächte hinter mir zu haben und empfinde es auf 2500 m bei acht Grad im Zimmer schon fast angenehm. Nach diesem happigen Abstieg schmerzen mir die Beine und Knies. Erstaunt bin ich jedoch, dass während dem Aufstieg meine Glieder und Muskeln nicht reklamierten. Dem Sommertraining in den heimischen Bergen sei wohl dank! Für den letzten Teil des Abstiegs wählen wir eine andere Route, vorbei an grossartig angelegten Terrassenlandschaften und kleinen schmucken Dörfern. Elf Tage haben wir trekkend in dieser atemberaubenden Bergwelt verbracht und sind dankbar, wieder wohlbehalten unten anzukommen. Mein Rückenweh hat sich stark gebessert, war das Wandern wohl Therapie. Wettertechnisch gesehen haben wir Glückspilze ein ideales Zeitfenster erwischt. Mit dem Taxi brausen wir der Zivilisation entgegen. Viel zu schnell sind wir zurück in der Stadt, wie ein Schock nach diesen harmonischen Tagen in der frischen Natur.

Wir genehmigen uns einen Ruhetag in Pokhara. Dieser gestaltet sich im wahrsten Sinne ruhig. Es ist der Tag der Wahlen. Ein allgemeines Fahrverbot besteht und somit herrscht auf den Strassen Ruhe pur, willkommen angenehm. Ansonsten ziehen diese Wahlen glücklicherweise spurlos an uns vorbei.

Um die Reise in den Süden etwas angenehmer zu gestalten, wählen wir einen Touristenbus. Die Fahrt erfolgt somit nonstop, abgesehen von Pinkel- und Mittagspause. Nachmittags treffen wir in Sauraha, einem kleinen touristischen Ort, dem Tor zum Chitwan Nationalpark ein. Wir befinden uns im Terai, dem tropischen Tiefland und das Klima ist angenehm wärmer. Wir hoffen, in den kommenden Tagen ein paar Wildtiere beobachten zu können. Das Gebiet ist vor allem bekannt für Elefanten und Nashörner. Wir wählen ein Hotel direkt am Flussufer, der natürlichen Grenze zum Nationalpark. Die Veranda mit Blick über das Wasser sieht einladend aus.

Frühmorgens ist es jeweils noch leicht neblig, es herrscht eine mystische Stimmung. Mit einem Einbaum schippern wir schwankend flussabwärts. Wir haben zwei ortskundige Führer mit an Bord. Nach einer Stunde Flussfahrt geht es zu Fuss weiter, wir befinden uns auf einem sogenannten Dschungeltrek. Kaum losgelegt folgt bereits das Highlight dieses Tages. Ein Nashorn! Mein Herz klopft etwas schneller. Mir kommt dieses Viech äusserst gross vor, es hat einen riesigen Hintern. Natürlich ist diese Begegnung nicht ganz ungefährlich, wir müssen stets vorsichtig sein und Abstand bewahren. Man glaubt es kaum, aber diese Kolosse bringen es auf bis zu 40 Stundenkilometer. Wir sind im Wald. Wenn das Tier angreifen sollte, ist man am sichersten auf einem Baum. Ich bitte, dass es nicht soweit kommt. Wahrlich hätte ich es kaum geschafft, einen Baumstamm zu erklimmen. Eine eindrückliche Begegnung, nur leider kann man das Tier nie vollständig sehen und eingehend beobachten. Der Dschungel ist dicht und wir können uns nicht näher heran wagen. Langsam stapft das Nashorn weiter und auf die eine Art bin ich auch erleichtert. Wir wandern den ganzen Tag, aber mehr als eine Handvoll Krokodile und verschiedene Vögel lassen sich nicht sichten. Lediglich die Spuren oder Kothaufen der grossen Wildtiere weisen auf deren Vorkommen hin, unsere Führer scheinen sich im Fährtenlesen bestens auszukennen. Abdrücke von Tigerpranken kreuzen unseren Weg, gerne wäre ich diesem scheuen Genossen persönlich begegnet!

Das Elefantenreiten am nächsten Tag ist mir zu touristisch, ich fühle mich unwohl. Dutzende der grauen Dickhäuter mit je vier Personen auf dem Rücken trotten hintereinander her. Überraschend aber, wir sichten mehr Tiere als gestern auf der Fusspirsch. Leider wirkt die Nashorndame mit seinem Jungtier so unecht und extra für uns hingestellt, ich kann es gar nicht richtig geniessen. Zeit zum Beobachten bleibt kaum, wollen alle einen Blick erhaschen… Von der Veranda unseres Hotels können wir das tägliche Elefantenbaden bestens beobachten. Die mächtigen Tiere werden im Fluss geschruppt, sie geniessen den Badespass offensichtlich.

Die nächsten Tage widmen wir dem relaxten Ort und dessen Umgebung. Wir mieten ein Fahrrad und radeln los. Das Tempo hält sich arg in Grenzen, sind die Wege steinig und holprig sowie die Drahtesel kaum gefedert. Unsere Hintern schmerzen schon bald. Tapfer pedalen wir weiter durch die ländliche Gegend mit den traditionellen Dörfern. Es ergibt sich ein kleiner Einblick in das Leben der hiesigen Bevölkerung, die oft freundlich grüsst und winkt. Mehrere Lieferwagen voll beladen mit grölenden und singenden Leuten sausen vorbei. Das Wahlresultat ist bekannt, es sind Anhänger der Siegerpartei, die ausgelassen feiern… Am Fluss gibt es ein paar nette Restaurants und wir gönnen uns nach den Strapazen einen Sundowner – einen Drink zum Sonnenuntergang. Ich geniesse die Ruhe und die friedliche Stimmung. Die Sonne sinkt viel zu schnell dem Horizont entgegen, wo der glühend rote Ball zuletzt ganz verschwindet.

Die letzte Busfahrt von voraussichtlich rund sechs Stunden steht bevor. Wir entscheiden uns für die Abfahrt frühmorgens, Verspätungen sind erfahrungsgemäss nicht selten. Fast auf die Minute genau fährt der klapprige Bus vor, damit habe ich nicht gerechnet. Es geht auch zügig voran, die Strasse ist für nepalesische Verhältnisse recht gut. Klar, hin und wieder werden wir geschüttelt, Schlaglöchern sei Dank. Stets steigen Passagiere zu, sei es mit Huhn, – tot oder lebendig? – oder mit einer erbärmlich miauenden Katze. Ansonsten geht es aber erstaunlich gesittet zu und her. Die Gegend hier im Süden ist furztrocken, die Flussbette sogar komplett ausgetrocknet. Oft sind die Strassen von Müll gesäumt, auf den es ganze Affenbanden abgesehen haben.

Erstaunlich pünktlich erreichen wir Janakpur, weiter im Südosten nahe der indischen Grenze gelegen. Schon im Bus präsentierte sich das Publikum eher indisch und nun sind wir definitiv in Indien gelandet! Die Leute starren einem oft ungehemmt und eingehend an, sehr ungewohnt und gewöhnungsbedürftig. Einfach alles ist anders… sei es das Auftreten und die Kleidung der Leute oder die Hupen. Nein mal ehrlich, diese Hupen sind noch ohrenbetäubender als je gehabt. Und sie hupen ständig, ich verstehe überhaupt nicht weshalb. Es treibt mich fast in den Wahnsinn… Die überschaubare Stadt selber ist alles andere als ein Juwel. Allem voran ist der herumliegende Abfall ein Graus, auch für unser Riechorgan. Das einzig wirklich Sehenswerte ist der Janaki Mandir, ein verspielter Hindutempel. Allein deshalb lohnt sich der Abstecher. Der riesige Palast mit seinen vielen Türmchen ist in verschiedenen Farben verziert, ein hinreissendes Bauwerk. Die meiste Zeit verbringen wir in dieser Oase und lassen das ganze Geschehen auf uns wirken. Es ist spannend, und entspannend, die Gläubigen bei ihren Gebeten und Ritualen zu beobachten. Auch die bei den Hindus heiligen Kühe drehen hier ihre Runden. So oft wie noch nie werden wir angesprochen und in ein Gespräch verwickelt. Die wenigen Englischsprechenden brennen darauf, ihr Wissen anzuwenden. Kein Wunder, für Inder zwar ein begehrter Pilgerort, aber westliche Touristen finden den Weg selten hier hin. Dies widerspiegelt sich auch im Hotelangebot. Das beste Hotel am Platz, nur wenige Jahre alt, bröckelt bereits. Die Fassade glänzt modern, dahinter sieht es anders aus. Immerhin verspricht der Name vom Hotel Welcome nicht zuviel… wir fühlen uns herzlich willkommen.

Motorisierte Taxis gibt es hier nicht, so lassen wir uns mit einer Fahrradrikscha zum Flughafen kutschieren, ein neues Erlebnis. Der arme Kerl muss mit uns zwei und unserem gesamten Gepäck heftig in die Pedalen treten. Eine kleine Maschine bringt uns in einer knappen halben Stunde zurück nach Kathmandu, auf der Strasse hätten das über zehn Busstunden bedeutet. Uns offenbart sich ein vortrefflicher Ausblick auf das Himalaya-Gebirge, wie eine Perlenkette reit sich ein Berg an den nächsten. Es ist, als hätten wir einen Panorama-Rundflug gebucht. Nur zu schnell setzen wir auf der Landepiste der Grossstadt auf und befinden uns wieder dort, wo alles begann…

Diesmal nächtigen wir in Patan, einer eigenen Stadt, unmittelbar südlich an Kathmandu angrenzend. Eigentlich möchten wir die letzten Nächte in einem der traditionellen, gemütlichen Hotels verbringen. Aber wir haben Pech, alles ist ausgebucht. So landen wir schlussendlich in einem brandneuen, familiären Homestay mit bester Sicht auf den Durbar Square mit seinen alten Tempeln und dem reich geschmücktem Palast. Die Mama spricht zwar nur wenig Englisch, aber trumpft mit ihrer Herzlichkeit. Die Stadt bietet vor allem Tempel. Zu Dutzenden sind diese in der Altstadt verteilt, oft in engsten Verhältnissen eingepfercht zwischen den Häusern. Es geht hier etwas gemächlicher zu und her wie in der Hauptstadt. Der Verkehr ist jedoch chaotisch wie eh und je und die zahlreichen Motorräder brausen einem um die Ohren. Der Smog und die Luftverschmutzung ist leider ein grosses Thema, deshalb bleibt einem die Sicht auf die Bergwelt auch oft verwehrt. Ein letztes Mal steigen wir auf die Dachterrasse und sehen nach, ob sich bei Einbruch der Dämmerung einige der Gipfel für uns entschleiern. Und siehe da, ein paar wenige schimmern in der untergehenden Sonne in sanftem Rot.

Etwas wehmütig verabschieden wir uns von dieser traumhaften Bergkulisse und vom sympathischen Nepal, das wir während sechs Wochen durchstreift haben. Ein unglaublich facettenreiches und vielfältiges Land, vor allem auch bezüglich den extremen Kontrasten von Flora und Fauna. Auf einer Distanz von knapp 60 km wandelt sich das Landschaftsbild von einer fruchtbaren Tiefebene mit dampfendem Dschungel, über Regenwald, Rhododendron-Hochland bis zu Gletschertälern und Hochgebirgswüste sowie dem sich bis über 8000 m auftürmenden Himalaya. Unsere Trekkingtour in das Herz des Annapurna-Gebirges war klar das Highlight für uns beide. Aber nicht nur die Schneegipfel, auch die freundlichen Nepalis werden wir in bester Erinnerung behalten…

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