Nashörner im Marakele Nationalpark
Frühmorgens – die Übernahme vom Campervan steht bevor. Das Fahrzeug macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck, es glänzt blitzblank. Nachdem alle Formalitäten erledigt sind, erklärt uns der schlaksige Solomon ausführlich die verschiedenen Funktionen des Campers. Für ihn scheint die Aufgabenteilung sonnenklar – bei der Küche und der Reinigung wendet er sich an mich, beim Steuer und der Mechanik an Roland. „Noch Fragen?“ meint Solomon lächelnd. Wir verneinen und er wünscht uns eine gute Fahrt. Im nächsten Supermarkt decken wir uns für die nächsten Tage mit Lebensmitteln ein. Es ist bereits Mittag, als wir endlich startklar sind.
Wir navigieren uns aus der Millionenstadt Johannesburg raus und düsen in Richtung Norden. Unser heutiges Ziel ist der Marakele Nationalpark, ca. 300 Kilometer entfernt. Schon nach einer guten Stunde Fahrt piepst es und ein orangefarbenes Warnsignal leuchtet bedrohlich auf dem Armaturenbrett auf. Mist, was ist denn jetzt schon los? Wir glauben, es ist das Ölzeichen und greifen zum Fach der Handbücher. Oh je, es ist nur eine Anleitung vom Kühlschrank und von der Klimaanlage, das nützt uns herzlich wenig. Kurz darauf fällt Roland ein weiteres Alarmzeichen auf. Wir haben keinen blassen Schimmer, was mit „SRS“ gemeint ist – der Typ an der nächsten Tankstelle leider auch nicht. Wir fragen bei einer Werkstatt nach. Ein Arbeiter nach dem anderen steckt den Kopf in die Kühlerhaube und in die Fahrerkabine. Vermutungen werden angestellt, aber schlussendlich kann uns niemand weiterhelfen. Unser Telefonanruf bei der Vermietstation bleibt vorerst unbeantwortet…
Erst kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir den Marakele Nationalpark, ein Wildreservat in der Region Waterberg. Die Gegend ist heute sehr trocken, aber einst war das Hochplateau voller Seen und Sümpfe, daher der Name. Im Nu bricht die Dämmerung ein und um halb sieben ist es bereits stockdunkel. Bald fallen wir todmüde ins Bett. Das Verstauen unserer Dinge und das Einrichten unseres neuen Zuhause kann bis morgen warten.
„Schau mal, sind das dort vorne Nashörner?“, fragt mich Roland nach dem Frühstück. Ein Blick durch den Feldstecher bestätigt die Vermutung. Die grauen grossen Viecher grasen gemütlich einige Meter vom Campingplatz entfernt. Im Laufe des Morgens erspähen wir noch weitere wilde Tiere… Giraffen, Zebras, Impalas, Kudus. Sie alle wollen am kleinen Wassertümpel ein paar Schlucke trinken. Das Gras der Steppe ist sehr trocken, die Bäume dürr. Ein Warzenschwein wagt sich bis zum Campingplatz, trabt gemächlich neben uns vorbei.
Für den späten Nachmittag haben wir eine Pirschfahrt – einen sogenannten Game Drive – gebucht. Der Safari-Jeep ist zu allen Seiten offen und es bietet sich ein guter Rundumblick. Noch ein paar weitere Touristen sowie ein Ranger mit geschultem Auge sind mit von der Partie. Der Ranger weiss natürlich auch spannende Details über das „Wildlife“ zu berichten. Der Park ist in einer malerischen Berglandschaft gelegen und bekannt für die Nashörner. Einige dieser grauen Kolosse lassen sich glücklicherweise auch blicken und aus nächster Nähe bestaunen. Der Ranger klärt uns ausführlich über die Unterschiede des weissen und schwarzen Nashorns auf. Es ist nicht etwa die Farbe, denn beide sind grau. „Wenn die Viecher Junge haben, kann ein Vergleich mit den Menschen angestellt werden“, erklärt er uns. „Bei den weissen Nashörnern trottet das Jungtier vor der Mutter, wie eine weisse Frau ihr Baby im Kinderwagen vor sich herschiebt. Ein junges schwarzes Nashorn folgt seiner Mutter hinterher, wie eine schwarze Frau ihr Kind auf dem Rücken trägt.“ Als krönenden Abschluss entdecken wir beim Eindunkeln ein Löwenmännchen mit einer wuscheligen Mähne. Nach einer Weile reisst das mächtige Tier sein Maul weit auf, legt sich hin, streckt alle Vieren von sich und will nichts mehr von uns wissen.
Das Thermometer misst 38 Grad im Schatten. Der Wind bläst wie ein heisser Fön. Und der Schatten ist rar. Um etwas mehr davon zu gewinnen, richten wir unseren Campervan optimal aus. Diese brütende Hitze sei nicht normal, wird uns gesagt. Eigentlich wäre für heute die Weiterfahrt geplant gewesen, aber wir sitzen hier fest. Leider haben wir in den letzten beiden Tagen noch weitere Mängel an unserem Fahrzeug feststellen müssen… ein Riss im Abflussrohr der Spüle lässt Wasser in die Schubladen darunter laufen, die Steckdose ist verstopft und die Sonnenblenden einiger Fenster sind defekt. Nun ist genug. Bereits gestern und vorgestern haben wir mit der Vermietung telefoniert. Wir sollen alles selber reparieren lassen, so deren Vorschlag. Glücklicherweise kommen wir mit einem einheimischen Paar ins Gespräch und sie bestätigen uns, das dies alles auch in Südafrika nicht normal sei. Der flotte Louw übernimmt für uns sogar den erneuten Telefonanruf mit dem Vermieter. „Das ganze Fahrzeug steht unter Wasser“, übertreibt er masslos. Roland und ich schmunzeln. Nachher erläutert er: „Ohne etwas zu Flunkern, passiert meistens nichts. Sie werden euch, voraussichtlich morgen, ein anderes Fahrzeug bringen“. Wir sind dankbar und staunen über diese Hilfsbereitschaft. Auch gibt uns Louw und seine Frau Cornel unaufgefordert eine komplette Reiseberatung über Südafrika – die Beiden sind selber weit gereist und kennen viele Winkel ihres Landes.
Die Südafrikaner nehmen wir im Allgemeinen als sehr freundlich wahr. Fast jede Begegnung, sei es nur an einer Kasse zum Zahlen oder an der Tankstelle, beginnt mit „How are you?“. Klar, sie wollen wahrscheinlich nicht wissen, wie es uns wirklich geht, aber etwas Small Talk gehört hier einfach dazu. In der nahegelegenen Stadt Thabazimbi kaufen wir eine lokale SIM-Karte für unser Handy. Die beiden Frauen im Geschäft sind aufgestellt und fragen uns, woher wir kommen. „Ah, Swaziland“, meint die eine und ist völlig erstaunt. „Nein nein, sie kommen aus Switzerland“, klärt ihre Kollegin sie laut lachend auf. Nun lachen wir alle zusammen. Klar, die beiden Länder klingen im Englischen ähnlich. Da der kleine Binnenstadt Swaziland jedoch ein Nachbarland von Südafrika ist, staunen wir über das Missverständnis. Es scheint uns sowieso, sie nehmen uns ausländische Touristen als Exoten wahr. Diese Ecke des Landes scheint nicht sehr touristisch…
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