Malerische Cederberge
Die Übernahme des Campers mit allem Drum und Dran nimmt über zwei Stunden in Anspruch. Somit ist es bereits Mittag, als wir startklar sind. Los geht’s – ab in Richtung Norden. Wir lassen das Strassengewirr von Kapstadt hinter uns, im Rückspiegel werfen wir einen letzten Blick auf den alles überragenden Tafelberg. Es war reizvoll, für ein paar Tage in die Grossstadt einzutauchen, aber nun freuen wir uns wieder auf das Camperleben draussen in der Natur. Exakt zwei Monate werden wir mit dem neuen fahrbaren Zuhause unterwegs sein…
Die Fahrt führt uns entlang der Westküste, wobei die Strasse im Landesinneren verläuft. Sanft gelbe Weizenfelder säumen die Gegend. Das Land ist fruchtbar, auch Reben machen sich breit und wir passieren mehrere Weingüter. Unterwegs steuern wir einen grossen Supermarkt an, um wieder neue Lebensmittelvorräte anzulegen. Nach rund 200 Kilometer erreichen wir Citrusdal, am Fusse der Cederberge gelegen. In dieser Region werden Zitrusfrüchte angebaut, daher der Name dieser Stadt.
Der liebenswerte Besitzer des Campingplatzes ist sehr aufgeschlossen und zu einem Schwatz aufgelegt. Bis vor kurzem hat er bei der Polizei gearbeitet und weiss viel zu berichten. Auch weiss er, dass bei uns in der Schweiz vieles anders läuft, strikt geregelt ist und besser kontrolliert wird. „Die Gesetze in Südafrika gelten für alle, nur nicht für die Kriminellen“, grinst er kopfschüttelnd. Bis es eindunkelt – mittlerweile um acht Uhr – sind wir mit dem Einrichten unseres neuen Daheims beschäftigt. Es gilt, uns neu zu organisieren, denn im 4×4-Camper lebt es sich anders als im vorgängigen Campervan. Todmüde erklimmen wir die Leiter hoch ins Dachzelt, unser neues Schlafgemach.
Nach Algeria ist es nur noch ein Katzensprung. Keine Stunde dauert die Weiterfahrt ins Zentrum der Cederberg Wilderness Area, die sich zwischen Citrusdal und Clanwilliam erstreckt. Der Name der etwa 100 Kilometer langen Bergkette stammt von den Clanwilliam-Zedern, die hier wachsen.
Die höchsten Berge hier sind rund 2000 Meter hoch und im Winter mit Schnee bedeckt. Der Campingplatz liegt idyllisch an einem Fluss. Von hier starten mehrere Wanderwege. Am späten Vormittag ist es bereits drückend heiss, so dass wir uns einig sind, es heute ruhig anzugehen und erst morgen in der Früh loszuwandern.
Nach einer Stunde bergan erreichen wir einen hübschen Wasserfall, für viele Wanderer das hauptsächliche Ziel. Noch ist es angenehm kühl, denn die Sonne strahlt noch nicht über alle Berge. Der Weg führt steil empor zum Middelberg auf 1100 Meter. Uns eröffnet sich eine weite Ebene, wo Gipfel beidseits malerisch aufragen. An zahlreichen Stellen hat die Erosion den rotgrauen Sandstein zu grotesken Formen geschliffen. Die Felswände muten wie riesige, aufeinander gestapelte Bauklötze an. Wir sind überwältigt, das
Panorama gefällt uns hervorragend. Deshalb marschieren wir noch ein Stück dieser Ebene entlang und können uns an den skurillen Felsformationen kaum sattsehen. Man könnte noch stundenlang, ja tagelang weiter wandern – das Wegnetz der Cederberge beträgt insgesamt 250 Kilometer.
Mittlerweile steht die Sonne senkrecht am Himmel und vernünftigerweise treten wir den Rückweg an. Stets scannen wir den Pfad auf allfällige Schlangen, verschiedene Arten sind hier heimisch. Die hochgiftige Puffotter ist die zu allem Unglück am weitesten verbreitete. Die dicke Schlange misst etwa ein Meter und liegt tagsüber gern zusammengerollt auf ausgetretenen Wegen. Viele Menschen werden gebissen, nachdem sie aus Versehen auf die Puffotter getreten sind. Aber wir stossen weder auf eine Schlange, noch auf weiteres Wandervolk – uns freut beides. Der Abstieg entlang der aufgeheizten Felswände ist mörderisch, wir fühlen uns wie in einem Schmortopf. Längst ist das Ziel vor Augen, aber der Weg zieht sich unglaublich dahin. Erschöpft, aber glücklich, erreichen wir spätnachmittags endlich den Campingplatz. Wir lechzen nach Schatten und freuen uns auf eine Abkühlung im Fluss.
Wenn wir beim Frühstück noch nicht wissen, wohin unsere Reise als nächstes führt, heisst das nicht, dass wir keine Planung in Angriff genommen haben, sondern dass wir uns schwer tun, eine Entscheidung zu treffen. Genau dies ist heute Morgen der Fall – wir sind hin und her gerissen. Sollen wir noch einen weiteren Ort der Cederberge besuchen oder weiter in Richtung Norden steuern? Wir wägen verschiedene Faktoren gegeneinander ab und entscheiden uns schlussendlich, nordwärts weiterzuziehen. Der dringend nötige Lebensmitteleinkauf hätte einen Umweg von über 100 Kilometer Schotterpiste bedeutet und auch die Backofenhitze spricht eher gegen eine weitere anstrengende Wandertour.
Die Fahrt durch das Gebiet der Cederberge nach Clanwilliam ist wunderschön. Die Region ist das Zentrum des Rooibos-Tees, der aus dem Rotbusch gewonnen wird. Der bis zu zwei Meter hohe Strauch wächst nur im Gebiet der Cederberge. In Südafrika ist der koffeinfreie Rooibos-Tee mittlerweile ein beliebtes Nationalgetränk und Hausmittel geworden. Kurz vor der Stadt führt die Staubstrasse einem Stausee entlang und gönnt uns malerische Ausblicke.
Es ist Sonntag, aber auch heute sind die Supermärkte geöffnet. Im Lautsprecher erklingen Weihnachtslieder, das Personal trägt rote Weihnachtsmann-Mützen. So werden wir trotz Sommerwetter an die bevorstehenden Feiertage erinnert. Das Regal mit dem Wein ist erstaunlicherweise abgesperrt. Aha, hier ist es sonntags nicht gestattet, Alkohol einzukaufen – das war bis anhin noch nie der Fall. Gerne hätten wir uns wieder ein „Böxchen“ – eine praktische 3 Liter-Tetrapackung mit Zapfhahnen – zugelegt, aber so muss ein Glas Wein eben warten…
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